Fernsehpfarrer Fliege als Sex-Ratgeber
In DIE WOCHE RETRO zeigen Ausgaben der Kolumne „Von Tag zu Tag“, welche Nachrichten vor 15 Jahren berichtens- und bedenkenswert waren. Heute: Die Ausgabe vom 27. September 1998.
SONNTAG
Im Hamburger Schauspielhaus ein Stück des Dramatikers Herbert Achternbusch. Titel: „Neue Freiheit Keine Jobs Schönes München Stillstand". Handlung: Ein Indianer sucht in Münchens Mülltonnen Nahrhaftes. Die Polizei erklärt, der Bundeskanzler habe das Land ratzekahl gefressen. Zitate: Auf einem Schild steht „Wer befreit mich von Helmut Kohl", Urmenschen rufen„Merkist, merkist, oggu. oggu." Fontane: „Schlecht ist schlecht, und es muss gesagt werden.“
MONTAG
Der Grüne-MdB Werner Schulz fordert „als Beitrag zur inneren Einheit" eine neue Nationalhymne und schlägt Brechts „Kinderhymne" vor. Goethe: „Was viele singen und sagen, / Das müssen wir eben ertragen!"
DIENSTAG
Das Berliner Kammergericht urteilt: Graffiti sind nur dann als Sachbeschädigung strafbar, wenn der Täter die „Substanz einer Sache verletzt" hat. Ecbasis captivi: „Ach, verkehrtes Recht gewinnt die Oberhand, das wahre Recht vermag sich nicht durchzusetzen."
MITTWOCH
Bei einer Telefonaktion klagen Eltern über den massiven Unterrichtsausfall durch Lehrermangel an niedersächsischen Schulen. Von einer Grundschule meldet eine empörte Mutter: „Die Klasse meiner Tochter wird vom Hausmeister unterrichtet." Helvetius: „Die Kunst. Menschen heranzubilden, hängt in jedem Land so eng mit der Regierungsform zusammen, dass es vielleicht nicht möglich ist, irgendeine bedeutende Veränderung in der öffentlichen Erziehung herbeizuführen, ohne eine Veränderung in der Verfassung der Staaten selbst zu bewirken."
DONNERSTAG
Nur noch jeder vierte Berliner gehört der evangelischen, nur noch jeder fünfzehnte der katholischen Kirche an. Im Stadtteil Hohenschönhausen sind sogar 92 Prozent konfessionslos. Schiller: „Alles wanket, wo der Glaube fehlt."
FREITAG
Radikale Gegner der Gentechnik verüben Anschläge auf Freilandversuche mit genetisch veränderten Pflanzen. Um die Felder zu zerstören, setzen sie verbotene Pflanzengifte ein. Bertrand Russell: „Die moderne Menschheit hat zwei Arten von Moral: eine, die sie predigt, aber nicht anwendet, und eine andere, die sie anwendet, aber nicht predigt."
SAMSTAG
Eine Münchnerin publiziert Erfahrungen mit dem TV-Pfarrer Jürgen Fliege (ARD). Sie hatte ihn gefragt, wie sie wieder einen Lebenspartner bekommen könne. Antwort: „Muss es denn unbedingt ein Mann sein? Denn merken Sie sich, ein Mann will immer nur Sex. Er will sein Sperma mit der Gießkanne ausschütten. Er versucht, das Vertrauen der Frau zu gewinnen, um sie seelisch zu öffnen. Dann stößt er hinein und versprüht sein Sperma." Deutsches Sprichwort: „Reitet der Teufel die Pfaffen, / so reitet er sie rechtschaffen".
Anmerkungen
Werner Gustav Schulz war 1990-2005 Bundestags- und ist seit 2009 Europaabgeordneter der „Grünen“.
Der evangelische Pfarrer Jürgen Fliege war 1994-2005 ARD-Nachmittagstalker.